IBA Stadtumbau 2010
Standort 2: Franckesche Stiftungen. Wieviel Öffnung soll sein?
Der Ort
Die Franckeschen Stiftungen sind eine weit über Halle ausstrahlende einzigartige Einrichtung von großem Einfluss für die Entwicklungsgeschichte der Stadt. Sie entstanden um 1700 im Süden vor der Stadt – der heutigen Altstadt – als bedeutsame soziale und kulturelle Innovation. Zunächst enstand ein Waisenhaus, daraus dannn eine ganze „Schulstadt“.
Die ursprünglichen Gärten der historischen Anlage wurden im Zuge des Wohnungsbaus der 70er Jahre komplett mit 11-geschossigen Plattenbauten bebaut. Hierdurch und noch mehr durch den Bau der Hochstraße wurden wichtige Wegebeziehungen zur Innenstadt unterbrochen. Der Tunnel unter der Hochstraße blieb als einzige Fußgängerverbindung zur Altstadt für den gesamten nordöstlichen Teil des Stiftungsstandortes.
Neben den Franckeschen Stiftungen selbst zählen heute die Martin-Luther-Universität, die Kulturstiftung des Bundes, zahlreiche Kindergärten und Schulen, ein Haus der Generationen und weitere Bildungs- und Sozialeinrichtungen zu den wichtigen Nutzern dieses lebendigen Ortes. In einem beispiellosen Erneuerungsprozess konnte er nach der politischen Wende wieder mit Leben erfüllt werden.
Das Thema
Der Kontrast zwischen dem eindrucksvollen, nahezu vollständig restaurierten Fachwerkensemble aus der Barockzeit und dem Erbe der sozialistischen Moderne ist für diesen IBA-Standort typisch. Durch den Bau von Halle-Neustadt wurden die Stiftungen nachhaltig zur Stadt vor der Stadt, noch mehr als die frühere Schulstadt. Die Hochstraße zur Neustadt spaltet den Stadtraum zwischen Stiftungsstandort und Altstadt im Norden.
Aber auch im Inneren des Standortes ist die räumliche Vernetzung vieler Nutzungsbereiche verbesserungswürdig. Die Erneuerung konzentrierte sich bisher vor allem auf die Gebäude, was nachvollziehbar ist. Und für die Stadt stand in den Jahrzehnten nach 1990 der Verkehrsumbau im Umfeld des Quartiers im Mittelpunkt, ausgelöst durch das Straßenbahnprojekt Neustadt-Hauptbahnhof. Mit der Behandlung der stadträumlichen Aspekte setzte die IBA somit einen neuen thematischen Akzent.
Die Fragen
Wie können die räumlichen Beziehungen zwischen den verschiedenen Nutzungsbereichen, innerhalb und außerhalb der Schulstadt verbessert werden?
Welches öffentliche Interesse besteht an diesem Thema?
Das IBA-Projekt
Das zunächst von den IBA-Planern verfolgte großzügige Konzept, die Freiräume des Campus für die Öffentlichkeit attraktiver zu machen, widersprach den Grundvorstellungen der Franckeschen Stiftungen. Dennoch konnte das Anliegen der IBA mit einem kleineren Projekt exemplarisch demonstriert werden: die Freiräume zwischen der Sekundarschule August-Hermann-Francke und den Plattenbauten östlich des Roten Weges – der wichtigsten Nord-Süd-Verbindungsachse im Campus – wurden zu einem vielfältig nutzbaren „Begegnungsfeld“ umgestaltet. Das 2009 fertig gestellte
Projekt versteht sich als Auftakt zu einem gemeinsam gestalteten Freiraum von hoher Qualität und soll weitere Maßnahmen zusammenhängender Freiraumgestaltung in der Schulstadt anstoßen.
Auch der unter Hochstraße und Straßenbahn versteckte Fußgängertunnel wurde im Rahmen der IBA attraktiver und auffindbarer gestaltet, um das Anliegen der räumlichen Vernetzung zu unterstreichen. Das vom Gestaltungsbeirat der Stadt befürwortete Konzept für Lichtführung und Farbgestaltung wurde ebenfalls 2009 umgesetzt.
Die von der IBA angestoßene Diskussion „Unter Nachbarn“ fand noch wenig öffentliche Resonanz. Ob und wie sie fortgesetzt wird, wird nun vor allem von der Initiative der Franckeschen Stiftungen abhängen.