Die Sagen der Stadt Halle (Saale)
Der Zöllner an der Markusbrücke
Die Marx- oder Markusbrücke bildete in Passendorf bis 1815 die Grenze zwischen Preußen und Sachsen. Hier stand auf preußischer Seite ein Zollhaus, dessen letzter Zöllner nicht der redlichste gewesen war. Oft genug hatte man auch seinen Possen mit ihm gespielt und Tabak und Zucker von Passendorf her in die Stadt geschmuggelt.
Da nun der Zöllner manche Sünde auf seinem Gewissen hatte, konnte er nach seinem Tode die Ruhe im Grabe nicht finden. Zwar ward er am Eingange des alten Granau-Nietlebener Kirchhofs begraben, doch sein schadenfroher Geist wandelte jahrelang in der Nähe der Brücke und dem dabei gelegenen Pfuhle herum, bis die geängstigte Nachbarschaft einen katholischen Geistlichen eigens dazu herbei rief, den Unglückseligen in die Heide zu bannen, die er nun ruhelos durchirrt.
Am Fuße des Kellerberges befindet sich eine baumlose Stelle, hier zeigt er sich am Johannistage und stößt laute Klagen aus. Lässt sich nun ein Wanderer oder Holzsammler verleiten, diesen Klagen zu folgen, verirrt er sich so sehr im Walde, dass er erst am nächsten Morgen den Ausgang aus ihm findet.
Nachtrag: Heutigentags finden sich nur Reste der Brücke am Rande Halle-Neustadts.
(aus: Siegmar Schultze-Gallera, Die Sagen der Stadt Halle und des Saalkreises, Halle 1922)