Die Sagen der Stadt Halle (Saale)
Vom Saalaffen
Eines Tages war die alte Holzbrücke, die über die Saale nach der Heide führte, schon sehr schlecht geworden, so dass man befürchtete, dass sie zusammenstürzen würde, wenn ein schwerer Wagen darüber fahren würde. Daher beschloss man, eine neue steinerne dorthin zu bauen, und die Maurer und Steinhauer machten sich flugs an die Arbeit.
Als sie jedoch in der Mitte der Saale den Grund zu den großen Pfeilern legen wollten, da passierte es ihnen, dass in der Nacht immer alles, was sie am Tage dazugebaut hatten, zerstört wurde. Zuerst glaubte man, die Konstruktionen seien nicht fest genug, und legte deshalb immer stärkere an, die dem Strome trotzen sollten. Es half aber nichts, des Morgens war alles wieder zerstört.
Verwundert darüber, wie das zuginge, blieben sie denn endlich einmal eine Nacht auf, um den Grund der Zerstörung zu erforschen. Es war gerade Vollmond, und die Strahlen fielen licht und klar in die Saale, dass sie alles sehen konnten. Da bemerkten sie denn, wie plötzlich zwei große Saalmänner angeschwommen kamen, welche die mächtigen Steine wie Kiesel durcheinander warfen und alles demolierten.
Am anderen Morgen hielten sie Rat, was zu tun sei und wie diesen Unholden beizukommen wäre. Als sie nicht einig werden konnten, gingen sie zum Priester in der Nikolauskapelle in der Klausstraße, der gerade am Morgen die Messe las, und trugen ihm die Geschichte vor. Nach kurzem Überlegen erzählte er ihnen das Wunder von der Geißel des heiligen Nikolaus und befahl ihnen, einige geweihte Stückchen aus derselben mit einzumauern, dann würde alles unberührt stehen bleiben.
Wie ihnen gesagt war, taten sie denn auch, und am anderen Morgen fand man nicht nur alles unversehrt, sondern als man genauer zusah, auch die Unholde auf dem Grunde der Saale tot liegen. Vor Schreck hatten sie mit den Händen Mund und Nase aufgerissen und waren in Stein verwandelt. So mauerte man sie in die Brücke ein, und das Volk nennt sie wegen der Fratzen, die sie schneiden, die Saalaffen.
Steinrelief von der Hohen Brücke, die 1172 bzw. 1503 erbaut und 1840 abgerissen worden war. Das Relief befand sich auf der Stromseite des Pfeilers zwischen dem zweiten und dritten Bogen der rund 300 m langen Brücke. Offenbar wollte man mit dem Bild an die Schrecken der alljährlichen Hochwasser erinnern und es kann durchaus das Brückenzeichen der ersten Brücke sein (ähnlich dem Brückenmännchen in Dresden, dem angeblichen Janus in Grimma oder dem Affen in Heidelberg). Da der ursprüngliche Anlass für den Einbau der Plastik nicht dokumentiert und damit bewahrt wurde, bleiben nur Mutmaßungen und das Volk hat sich eine Sage dazu ersonnen. Danach soll der Saalaffe das versteinerte Antlitz eines Wasserdämonen sein.
(aus: Siegmar Schultze-Gallera, Die Sagen der Stadt Halle und des Saalkreises, Halle 1922)